Programm gegen Übergewicht. Ist Schlafapnoe vielleicht doch heilbar?

Zurzeit macht ein Medikament namens Mounjaro® Furore, durch das man so stark abnimmt, dass eine obstruktive Schlafapnoe sich dadurch bei vielen Patienten zurückbildet (zumindest solange sie nach Absetzen des Mittels nicht wieder zunehmen). Kurze Zeit vor der Zulassung dieser innovativen „Abnehmspritze“ in Deutschland wurden in einer medizinischen Fachzeitschrift die spektakulären Ergebnisse einer klinischen Studie zu Übergewicht und Schlafapnoe beschrieben, in der es gelungen ist, Patienten einzig und allein durch eine Gewichtsreduktion und andere Lebensstiländerungen von ihrer Schlafapnoe zu befreien.

Es gibt also durchaus Möglichkeiten, diese schlafbezogene Atmungsstörung auch ohne die bei vielen Patienten ungeliebte CPAP-Therapie (oder andere lebenslange Behandlungsmethoden wie Schiene oder Zungenschrittmacher) zu beheben. Zwar erfordert das schon ziemlich viel Konsequenz vonseiten der Patienten. Doch andererseits können Sie damit nicht nur Ihre Schlafapnoe besiegen, sondern mit Sicherheit auch Ihr Leben um etliche Jahre verlängern – denn mit dieser Umstellung der Lebensweise bekommt man nicht nur eine obstruktive Schlafapnoe, sondern auch andere übergewichtsbedingte Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Probleme in den Griff.

Die Spanier wissen, wo’s langgeht! Das zeigen die im Jahr 2022 in der medizinischen Fachzeitschrift Nutrients veröffentlichten Ergebnisse der INTERAPNEA-Studie, die an einem ambulanten Zentrum zur Behandlung schlafbezogener Atmungsstörungen in Granada durchgeführt wurde. (Die Abkürzung INTERAPNEA steht für „Interdisciplinary Weight Loss and Lifestyle Intervention for OSA“ = Interdisziplinäre Intervention zur Gewichtsreduktion und Lebensstiländerung bei OSA.)

„Intensivkurs“ in gesunder Lebensweise

In dieser Studie nahmen 89 übergewichtige Männer mit mittelschwerer bis schwerer obstruktiver Schlafapnoe (OSA), die bereits mit CPAP behandelt wurden, an einem achtwöchigen Lebensstiländerungsprogramm teil. Während alle 89 Probanden weiterhin ihre gewohnte CPAP-Therapie fortsetzten, durften 40 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Patienten zusätzlich an einem intensiven Programm zur Änderung ihrer Lebensweise teilnehmen. Vor Beginn dieses Programms, nach acht Wochen und nach sechs Monaten wurde bei allen Studienteilnehmern eine Untersuchung im Schlaflabor (Polysomnografie) durchgeführt. Außerdem mussten sie verschiedene Fragebögen ausfüllen.

Bei dieser Studie ging es den Wissenschaftlern vor allem darum, herauszufinden, ob der Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) der Probanden – also der Schweregrad ihrer Schlafapnoe – sich durch das achtwöchige Programm bessern ließ. Aber auch andere wichtige Schlafapnoe-Parameter (z. B. Sauerstoffentsättigungen, Schlafeffizienz, Schlafarchitektur, subjektiv empfundene Schlafqualität und Tagesschläfrigkeit) wurden untersucht. Die zweite, sechs Monate später stattfindende Untersuchung sollte zeigen, ob Verbesserungen in der Schlafapnoe, der Schlafqualität und dem allgemeinen Gesundheitszustand der Probanden vielleicht sogar von längerer Dauer sein könnten.

Lebensstiländerung hilft gegen Übergewicht

Das Programm umfasste folgende Aspekte:

• Änderung des Ernährungsverhaltens

• moderates Ausdauertraining

• Rauchstopp

• Einschränkung des Alkoholkonsums (bis hin zum völligen Verzicht)

• und Schlafhygiene.

Zu diesem Zweck nahmen die Probanden an verschiedenen, jeweils 60 bis 90 Minuten dauernden Gruppensitzungen teil, in denen geschulte Trainer ihnen die wichtigsten Inhalte des Programms vermittelten.

Gesünder Leben ohne Schlafapnoe

Mit diesem durchschlagenden Erfolg hatten die Patienten, die sich dem INTERAPNEA-Programm unterzogen, sicherlich nicht gerechnet: Ihr AHI halbierte sich durch das körperliche Training und die Ernährungsumstellung in acht Wochen von über 40 auf rund 20 Apnoen und Hypopnoen pro Stunde! Einige Probanden litten jetzt nur noch an einer leichten Schlafapnoe; bei anderen war die schlafbezogene Atmungsstörung sogar völlig verschwunden. 18 der 40 Teilnehmer brauchten keine CPAP-Therapie mehr und klagten auch nicht mehr über Schlafstörungen, Tagesschläfrigkeit, kognitive Beeinträchtigungen oder andere negative Folgeerscheinungen einer obstruktiven Schlafapnoe wie Bluthochdruck.

Bei der zweiten Untersuchung, die ein halbes Jahr später stattfand, hatten sich diese Ergebnisse sogar noch weiter verbessert: Bei fast 30 % der Teilnehmer war die Schlafapnoe inzwischen völlig verschwunden, und über 60 % brauchten keine CPAP-Therapie mehr. Auch die nächtliche Sauerstoffsättigung, die Schlafarchitektur und die Schlafeffizienz der Probanden hatten sich positiv verändert; sie konnten jetzt besser durchschlafen und empfanden ihren Schlaf als erholsamer.

Aber das war noch lange nicht alles: Auch der allgemeine Gesundheitszustand der Lebensstilprogramm-Teilnehmer hatte sich während dieser acht Wochen deutlich verbessert. Sie waren jetzt um etliche Kilos leichter, ihr Halsumfang (ein wichtiger Schlafapnoe-Risikofaktor) hatte abgenommen, ebenso ihr Taillenumfang und ihr viszerales Fett – also das Fettgewebe in der Bauchhöhle, das die inneren Organe umgibt. (Zu viel viszerales Fett erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes.) Der Blutdruck der Patienten war gesunken, und zwar so stark, dass schon allein das Risiko für einen tödlich verlaufenden Schlaganfall dadurch laut Berechnung der Studienautoren um rund 40 % abgenommen haben dürfte.

Kein Bock auf Alkohol und Zigaretten

Die Probanden, die in dem Fragebogen zu ihren Trinkgewohnheiten vor Beginn des Programms einen leichten bis moderaten Alkoholkonsum angegeben hatten, waren acht Wochen später vollkommen abstinent. Andere griffen nur noch gelegentlich zu alkoholischen Getränken. Ähnliche Erfolge waren im Hinblick auf die Rauchgewohnheiten der Patienten zu verzeichnen: Sieben von zehn Teilnehmern, die zu Beginn des Programms geraucht hatten, waren acht Wochen später nikotinfrei; andere hatten ihren Tabakkonsum zumindest um 45 bis 75 % reduziert.

Das Erfolgsgeheimnis

Und das wohl Erstaunlichste an diesen verblüffenden Behandlungserfolgen ist, dass sie auch nach einem halben Jahr immer noch anhielten, obwohl man weiß, dass die Erfolge von Lebensstiländerungsprogrammen normalerweise eher kurzlebig sind.

Worauf sind diese erstaunlichen Erfolge zurückzuführen? Dafür haben die Autoren der Studie eine sehr einleuchtende Erklärung: In anderen klinischen Studien dieser Art, so schreiben sie, hatte man die Gewichtsabnahme entweder durch Diät oder körperliche Aktivität zu erreichen versucht, statt beide Elemente miteinander zu kombinieren, was sehr viel sinnvoller ist.

Außerdem umfasste das INTERAPNEA-Programm auch noch viele andere wichtige Aspekte, auf die bei Maßnahmen zur Bekämpfung der obstruktiven Schlafapnoe normalerweise leider kein so großer Wert gelegt wird – nämlich Raucherentwöhnung und Einschränkung des Alkoholkonsums: Sowohl Rauchen als auch Alkohol sind nachweislich wichtige Risikofaktoren für die Entstehung oder Verschlimmerung einer OSA.

Und nicht zuletzt beruhte dieses intensive Lebensstiländerungsprogramm auf den neuesten klinischen Praxisrichtlinien für das Management von krankhaftem Übergewicht und Schlafapnoe, und die Schulungsinhalte waren didaktisch hervorragend aufbereitet; daher wirkten sie sehr motivierend auf die Patienten. Die Entwickler des Programms hatten auch verschiedene Elemente eingebaut, um die Compliance sicherzustellen: Die Teilnehmer erhielten Patientenhandbücher mit wichtigen allgemeinen Informationen und Vordrucken für die Tagebücher, die sie führen sollten. Diese Tagebücher wurden von den Programmleitern zum Zweck der Compliance-Kontrolle regelmäßig eingesammelt und geprüft. Hatte ein Proband an einer Sitzung nicht teilgenommen, so wurde er angerufen und nach den Gründen dafür gefragt.

Die Mischung macht’s

„Die Mechanismen, durch die Gewichtsabnahme und andere Lebensstiländerungen sich positiv auf eine OSA und deren Begleiterkrankungen auswirken können, sind wahrscheinlich multifaktoriell“, schreiben die Autoren der Studie. Nach bisherigem Kenntnisstand liegt bei fast 60 % aller mittelschweren bis schweren obstruktiven Schlafapnoe-Erkrankungen krankhaftes Übergewicht vor, das die Anatomie der oberen Atemwege so verändert, dass diese sich im Schlaf besonders leicht verschließen. Aber das ist nicht das einzige Problem: „Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge geht ein ungesunder Lebensstil – beispielsweise falsche Ernährung, wenig körperliche Aktivität, Rauchen und Alkoholkonsum – auch unabhängig vom körperlichen Habitus oft mit einer obstruktiven Schlafapnoe einher. Daher kann eine OSA sich durch eine Kombination aus Gewichtsabnahme und anderen Lebensstiländerungen bei übergewichtigen oder fettleibigen Patienten sogar völlig zurückbilden.“

Ohne Alkohol und Nikotin lebt (und schläft) es sich besser

Man täte gut daran, bei nicht-medikamentösen Schlafapnoe-Behandlungsprogrammen grundsätzlich auch die Risikofaktoren Rauchen und Alkoholkonsum zu berücksichtigen, denn sie können großen Schaden in den oberen Atemwegen anrichten. Alkohol hat eine muskelentspannende Wirkung, die den nächtlichen Atemwegskollaps begünstigt: Dadurch kann aus einem an und für sich harmlosen Schnarchen eine obstruktive Schlafapnoe werden, oder eine bereits bestehende OSA kann sich verschlimmern. Darauf sollten Ärzte ihre Schlafapnoe-Patienten hinweisen, statt sich immer nur auf die Gewichtsreduktion zu konzentrieren.

Das Gleiche gilt für das Rauchen: Es begünstigt die Entstehung von Entzündungen im Hals und in den oberen Atemwegen und erhöht dadurch das Schlafapnoe-Risiko oder kann eine schlafbezogene Atmungsstörung zumindest verschlimmern. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass eine Schlafapnoe bei Rauchern häufiger vorkommt als bei Nichtrauchern. Außerdem schlafen Raucher grundsätzlich schlechter: Sie brauchen länger bis zum Einschlafen, liegen nachts öfter wach und haben weniger Tiefschlaf.

Mehr Vorteile als CPAP

Zusätzlich zur Bekämpfung der Schlafapnoe bietet das INTERAPNEA-Programm noch einen weiteren Vorteil: Während eine CPAP-Therapie zwar gegen OSA hilft, es bisher aber keine eindeutigen Beweise dafür gibt, dass sie auch das bei Schlafapnoikern erhöhte Herz-Kreislauf-Risiko senkt, erreicht man mit diesem Programm gleich mehrere wichtige Ziele: Die Schlafapnoe bessert sich oder verschwindet völlig, man nimmt ab und verringert durch die Gewichtsreduktion und andere wichtige Lebensstiländerungen gleichzeitig auch sein Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Leberprobleme und Lungenkrebs.

Marion Zerbst
das schlafmagazin, 4/2024